Die kürzlich erfolgte Reform des französischen Arbeitsrechts sieht zahlreiche Erleichterungen für Unternehmen vor, die einen betriebsbedingten Stellenabbau vornehmen wollen.
Eine dieser Maßnahmen ist, dass Unternehmen mit den Arbeitnehmern eine kollektive Aufhebungsvereinbarung abschließen können, ohne dabei an die strengen Regelungen für betriebsbedingte Kündigungen gebunden zu sein.
Insbesondere muss der Abschluss einer kollektiven Aufhebungsvereinbarung nicht mit einem betriebsbedingten Grund gerechtfertigt werden. Somit können auch Unternehmen, deren finanzielle Situation gut ist, von einer solchen Aufhebungsvereinbarung Gebrauch machen.
1. Voraussetzungen und Anwendungsbereich der kollektiven Aufhebungsvereinbarung
Die Modalitäten der kollektiven Aufhebungsvereinbarung müssen in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden, die von der französischen Arbeitsbehörde genehmigt werden muss.
Die Betriebsvereinbarung muss ausdrücklich vorsehen, dass, falls nicht genügend Arbeitnehmer an einer Aufhebungsvereinbarung interessiert sind, nicht auf Kündigungen zurückgegriffen wird, um die in der Vereinbarung festgelegte Anzahl der abzubauenden Stellen zu erreichen.
Nach Aussage des Arbeitsministeriums bestehe ansonsten das Risiko, dass ein Sozialplan, der kurz nach der Verhandlung einer kollektiven Aufhebungsvereinbarung mangels genügender Kandidaten aufgestellt wird, von der Arbeitsbehörde nicht genehmigt wird.
Falls nicht genügend Arbeitnehmer an der Aufhebungsvereinbarung interessiert sind, sollten jedoch nach einer angemessenen Frist betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden können.
2. Inhalt und Abschluss der Betriebsvereinbarung
Die Betriebsvereinbarung muss folgende Regelungen enthalten:
- Maximale Anzahl der abzubauenden Stellen;
- Bestimmung der Kriterien, die der Arbeitnehmer erfüllen muss, um eine Aufhebungsvereinbarung abschließen zu können, sowie die Auswahlkriterien, zwischen mehreren potentiellen Bewerbern.
Diese Kriterien können durch die Betriebsvereinbarung frei bestimmt werden. Es kann sich dabei z.B. um Folgende handeln: Dauer der Betriebszugehörigkeit, familiäre Situation, berufliche Qualitäten, Vorliegen eines beruflichen oder privaten Projekts des Arbeitnehmers etc..
Achtung: es ist darauf zu achten, dass die ausgewählten Kriterien nicht diskriminierend sind. Insbesondere dürfen nicht vorzugsweise ältere Arbeitnehmer von der kollektiven Aufhebungsvereinbarung betroffen sein;
- Modalitäten für die Berechnung der Aufhebungsentschädigung. Diese muss mindestens der gesetzlichen Kündigungsentschädigung entsprechen. Der Betrag der Aufhebungsentschädigung ist ohne Begrenzung nach oben von der Einkommenssteuer befreit. Die Aufhebungsentschädigung ist außerdem bis zu einem bestimmten Betrag von Sozialabgaben befreit. Dieser beträgt 79.464 € für das Jahr 2018;
- Maßnahmen , um die Wiedereingliederung der Arbeitnehmer in äquivalente Stellen auf dem Arbeitsmarkt zu fördern (Fortbildungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Erlangung von Diplomen („VAE“) oder bei der Aufnahme von neuen Tätigkeiten etc..);
- Modalitäten der Information der Personalvertretungsorgane.
Die Personalvertretungsorgane müssen nicht im Voraus zu der geplanten Restrukturierung angehört werden. Lediglich bei der Umsetzung der genehmigten Betriebsvereinbarung sind sie regelmäßig anzuhören.
Bis zum 30.04.2018 kann die Betriebsvereinbarung mit Gewerkschaftsvertretern abgeschlossen werden, die mindestens 30% bei der letzten Personalvertreterwahlen erreicht haben, unter der Voraussetzung, dass die Gewerkschaftsvertreter, die bei den letzten Wahlen die Mehrheit erreicht haben keinen Widerspruch gegen die Betriebsvereinbarung einlegen.
Ab dem 01.05.2018 müssen Betriebsvereinbarungen zur kollektiven Aufhebungsvereinbarungen durch Gewerkschaftsvertreter unterzeichnet werden, welche mehr als 50% bei den letzten Wahlen erreicht haben. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, kann die Betriebsvereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen eines Referendums durch die Mehrheit der Arbeitnehmer genehmigt werden werden.
3. Genehmigung durch die Arbeitsbehörde
Die abgeschlossene Betriebsvereinbarung wird an die zuständige Arbeitsbehörde gesendet, welche eine Frist von 15 Tagen hat, um über die Genehmigung oder Ablehnung der Betriebsvereinbarung zu entscheiden.
Insbesondere folgende Punkte werden von der Behörde bei ihrer Entscheidung berücksichtigt:
- Die Betriebsvereinbarung muss festlegen, dass keine Kündigungen ausgesprochen werden, um die in der Vereinbarung festgelegte Anzahl der abzubauenden Stellen zu erreichen, falls nicht genügend Arbeitnehmer an einer Aufhebungsvereinbarung interessiert sind;
- Beachtung des gesetzlich festgelegten Mindestinhalts der Betriebsvereinbarung (s.o.);
- Ordnungsgemäße Information der Personalvertretungsorgane;
- Keine Diskriminierung zwischen den Kandidaten für eine Aufhebungsvereinbarung, insbesondere aufgrund des Alters (s.o.).
4. Verfahren nach der Genehmigung
Die Arbeitnehmer, die an einer Aufhebungsvereinbarung interessiert sind, können ihre Bewerbung einreichen.
Wird die Bewerbung vom Arbeitgeber akzeptiert, gilt der Arbeitsvertrag durch eine einvernehmliche Einigung als aufgehoben.
Da die Regeln zur betriebsbedingten Kündigung keine Anwendung finden, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf vorrangige Wiedereinstellung, noch einen Anspruch auf einen Vertrag zur beruflichen Absicherung („CSP“) oder auf einen Wiedereingliederungsurlaub („Congé de reclassement“).
Der Arbeitnehmer hat, wie bei einer Kündigung oder individuellen Aufhebungsvereinbarung, Anspruch auf Arbeitslosengeld.
5. Besonderheiten für Unternehmen mit mindestens 1000 Arbeitnehmern
Hat der Stellenabbau im Rahmen der kollektiven Aufhebungsvereinbarung aufgrund seines Umfangs einen negativen Einfluss auf das Gleichgewicht des lokalen Arbeitsmarkts, muss das Unternehmen grundsätzlich eine finanzielle Unterstützung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in dem betroffenen lokalen Arbeitsmarkt zahlen.
Diese entspricht mindestens dem zweifachen des monatlichen Mindestgehalts („SMIC“) pro abgebauter Stelle.
Davon betroffen sind Unternehmen mit mindestens 1000 Arbeitnehmern, oder Unternehmen die zu einem Konzern mit mindestens 1000 Arbeitnehmern gehören.
Ausgenommen von dieser Verpflichtung sind Unternehmen, welche Insolvenz angemeldet haben.
6. Inkrafttreten
Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur kollektiven Aufhebungsvereinbarung ist seit dem 23. Dezember 2017 möglich. Die rechtlichen Voraussetzungen für die kollektive Aufhebungsvereinbarung könnten sich jedoch noch verändern bzw. weiterentwickeln mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Ratifizierung der Verordnung, mit welcher die kollektive Aufhebungsvereinbarung eingeführt wurde.
Die Verabschiedung des Ratifikationsgesetz wird für März 2018 erwartet.
Dr. iur. Aymeric Le Goff und Almut Weise