Mit dem Gesetz zur beruflichen Bildung, Beschäftigung und zum kollektiven Arbeitsrecht vom 5. März 2014 wurde das berufliche Weiterbildungsrecht grundlegend reformiert.
Ab dem 1. Januar 2015 werden die Anrechte des Mitarbeiters auf berufliche Weiterbildung nicht mehr in Form des individuellen Weiterbildungsrechts (sog. DIF) ausgedrückt, sondern auf einem bei den französischen Agenturen für die Verwaltung der Weiterbildungsrechte (OPCA) geführten persönlichem Weiterbildungskonto (sog. CPF) angesammelt.
Durch die Einführung eines solchen persönlichen Weiterbildungskontos sind die Rechte nunmehr nicht länger an den bestehenden Arbeitsvertrag gebunden, sondern bleiben im Falle eines Berufswechsels erhalten.
Das neue Weiterbildungsrecht:
- Unter Geltung des DIF konnte der Mitarbeiter pro Beschäftigungsjahr 20 Weiterbildungsstunden ansammeln, wobei die Gesamtzahl der Weiterbildungsstunden auf 120 beschränkt war.
Ab dem 1. Januar 2015 sammelt der Mitarbeiter auf seinem CPF-Konto pro Beschäftigungsjahr 24 Weiterbildungsstunden an, bis er eine Grenze von 120 Stunden erreicht hat. Ab dieser Grenze erwirbt er jährlich lediglich 12 Stunden, wobei die Gesamtzahl der auf dem CPF-Konto veranschlagten Stunden auf 150 beschränkt ist.
Dieser jährliche Erwerb des vollen Weiterbildungsrechts setzt eine Vollzeitbeschäftigung (d.h. 1.607 Arbeitsstunden pro Jahr) voraus. Die jährliche Arbeitszeit zur Berechnung des Weiterbildungsrechts von Mitarbeitern, die mit ihrem Arbeitgeber eine Arbeitszeitpauschale nach jährlichen Arbeitstagen (sog. „forfait jours“) vereinbart haben, wird ebenfalls mit 1.607 Arbeitsstunden veranschlagt. Bei hohen leitenden Angestellten, auf deren Arbeitsverhältnis die Regelungen zur gesetzlichen Arbeitszeit keine Anwendung finden, wird das Weiterbildungsrecht anhand des Gehalts, welches mit dem 2.080-fachen des stündlichen Mindestlohns ins Verhältnis gesetzt wird, berechnet.
Für Teilzeitbeschäftigte erfolgt eine anteilige Berechnung.
- Die im Hinblick auf das DIF erworbenen Rechte gehen mit Einführung des CPF allerdings nicht verloren. Der Mitarbeiter kann diese noch bis zum 1. Januar 2021 in Anspruch nehmen.
Parallel dazu erwirbt er auf seinem CPF-Konto bis zu 150 Weiterbildungsstunden und kann beide Rechte bis zu einer Gesamtstundenzahl von 150 sogar kombinieren. (Bsp.: Am 31. Dezember 2014 hat der Mitarbeiter 120 Weiterbildungsstunden zum DIF erworben. Bis Ende 2017 erwirbt er 72 Stunden auf seinem CPF-Konto und kann im Jahr 2018 150 Weiterbildungsstunden in Anspruch nehmen. Nach Inanspruchnahme verbleiben ihm 42 Stunden auf seinem CPF-Konto.)
Die Finanzierung der bisher unter Geltung des DIF aufgelaufenen Weiterbildungsrechte ist dabei u.E. noch nicht abschließend geklärt.
- Die Weiterbildungsrechte können ausschließlich für Maßnahmen, die den Erwerb zusätzlicher Befähigungen und Kenntnisse ermöglichen oder deren Zertifizierung erleichtern, in Anspruch genommen werden (Listen der betreffenden Maßnahmen sollen in Kürze veröffentlicht werden).
- Die Inanspruchnahme der Weiterbildungsrechte erfolgt ab dem 1. Januar 2015 auf schriftlichen Antrag des Arbeitnehmers.
Soweit die Weiterbildungsmaßnahme während der Arbeitszeit stattfinden soll, ist der Antrag für Weiterbildungen mit einer Gesamtdauer von bis zu 6 Monaten mindestens 60 Tage vor Beginn der Maßnahme beim Arbeitgeber zu stellen. Für längere Weiterbildungsmaßnahmen ist der Antrag mindestens 120 Tage vor deren Beginn einzureichen. Der Arbeitgeber verfügt über eine Frist von 30 Kalendertagen, um auf diesen Antrag zu antworten, wobei sein Schweigen als Annahme des Antrags zu werten ist.
Derzeit scheint es, als könne der Arbeitgeber sich diesem Antrag aus beliebigem Grund widersetzen. Sollte dies der Fall sein, könnte der Mitarbeiter gezwungen sein, die Weiterbildung außerhalb der Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen.
- Die Kosten der Weiterbildung werden unmittelbar durch den OPCA oder, bei Bestehen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung, durch den Arbeitgeber getragen.
Eine Erstattung der Nebenkosten (z.B. Reisekosten, Unterkunft, Kinderbetreuung, Verpflegung) erfolgt unabhängig davon, ob die Weiterbildungsmaßnahme während oder außerhalb der Arbeitszeit stattfindet. Die Übernahme dieser Kosten kann auf Entscheidung des Verwaltungsrats des OPCA oder durch eine Betriebsvereinbarung eingeschränkt werden.
Soweit die Weiterbildungsmaßnahme während der Arbeitszeit stattfindet, kann die Lohnfortzahlung in Höhe von bis zu 50% des durch den OPCA finanzierten Teils der Weiterbildung nach Genehmigung durch dessen Verwaltungsrat oder, bei Bestehen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung, durch den Arbeitgeber erfolgen (Bsp.: Bei einer Finanzierung in Höhe von 2.000 € beliefe sich die Lohnfortzahlung auf maximal 1.000 €).
- Die Finanzierung des Weiterbildungsrechts erfolgt nicht, wie bisher, erst bei dessen Inanspruchnahme, sondern durch einen vom Arbeitgeber an den OPCA gezahlten Beitrag. Dieser entspricht in Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten 0,55% der Gesamtheit der gezahlten Gehälter. In allen anderen Unternehmen beläuft sich dieser Beitrag auf 1% der Gesamtheit der gezahlten Gehälter.
Einzuhaltende Fristen
- Vor dem 31. Januar 2015:
Information der Mitarbeiter über ihre bis zum 31. Dezember 2014 erworbenen Weiterbildungsrechte (DIF).
- Vor dem 1. März jeden Jahres:
Mitteilung der im Unternehmen geltenden Arbeitszeit an den OPCA. Nach unserem Verständnis hat der Arbeitgeber folgende Informationen zu übermitteln:
Anzahl der Vollzeitbeschäftigten,
Anzahl der Teilzeitbeschäftigten,
Anzahl der auf Grundlage einer Arbeitszeitpauschale nach jährlich gearbeiteten Arbeitstagen (sog. „forfait jours“) vergüteten Mitarbeiter,
Anzahl der ohne Bezug zur gesetzlichen Wochenarbeitszeit vergüteten hohen leitenden Angestellten.
- Alle zwei Jahre:
Mitarbeitergespräch zu den beruflichen Aussichten ohne Bewertung des Mitarbeiters mit Erstellung eines Gesprächsprotokolls.
- Alle sechs Jahre:
Mitarbeitergespräch zum beruflichen Werdegang des Mitarbeiters im Unternehmen und zu den in Anspruch genommenen Weiterbildungsmaßnahmen mit Erstellung eines Gesprächsprotokolls.
Kommt ein mindestens 50 Mitarbeiter beschäftigendes Unternehmen seiner Verpflichtung, die Mitarbeitergespräche zu führen, nicht nach, hat es Vollzeitbeschäftigten 100 Weiterbildungsstunden und Teilzeitbeschäftigten 130 Weiterbildungsstunden auf ihren jeweiligen CPF-Konten gutzuschreiben.
Dr. iur. Anne-Marie Sénéchal L’Homme