In Anwendung des französischen Gesetzes zur sozialen und solidarischen Wirtschaft (loi relative à l’économie sociale et solidaire) vom 31. Juli 2014 – sogenanntes Hamon-Gesetz – sind Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern* verpflichtet, alle Mitarbeiter mindestens zwei Monate vor einer möglichen Veräußerung hierüber zu informieren, damit diese selbst ein Übernahmeangebot unterbreiten können.
Ziel des Gesetzes ist es zu verhindern, dass Unternehmen – in Ermangelung eines Käufers – schlicht geschlossen werden. Bei mangelnder Information stand jedem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu, den Verkauf anzufechten…
Nach Lautwerden zahlreicher Kritiken aus der M&A Praxis, wurde die Verfassungsmäßigkeit des Hamon-Gesetzes beanstandet. Diese war besonders im Hinblick auf die Unternehmensfreiheit und das Eigentumsrecht zu prüfen: Der Conseil d’Etat legte daher dem Verfassungsgericht (Conseil Constitutionnel) die Frage der Verfassungsmäßigkeit vor (Question Prioritaire de Constitutionnalité, QPC) (CE 22. Mai 2015, Nr. 386792).
In einer Entscheidung vom 17. Juli 2015 (Entscheidung Nr. 2015-476, QPC vom 17. Juli 2015) bekräftigte das Verfassungsgericht, dass die Mitteilungspflicht insofern mit der Verfassung übereinstimmt, als dass sie dem Allgemeininteresse dient, da sie unter Einsatz aller Mittel die Übernahme eines Unternehmens und somit die Fortführung der Geschäftstätigkeit ermöglicht. Gleichwohl wurde die Bestimmung für verfassungswidrig erklärt, aus der sich die Unwirksamkeit der Veräußerung bei mangelnder Information der Arbeitnehmer ergab.
Im Zuge dieser Entscheidung hat das Gesetz zur Förderung des Wachstums und der wirtschaftlichen Aktivität vom 6. August 2015 – sogenanntes Macron-Gesetz – das Hamon- Gesetz entschärft. So begrenzt es den Anwendungsbereich, lockert die Bedingungen und schränkt die Sanktionen bei Nichteinhaltung ein.
1. Begrenzung des Anwendungsbereichs auf den alleinigen Unternehmensverkauf (Verkauf des Geschäftsbetriebs oder der Mehrheit der Gesellschaftsanteile)
Indem das Macron-Gesetz den ursprünglichen Begriff „Veräußerung“ durch „Verkauf“ersetzt, wurde Klarheit hinsichtlich des Anwendungsbereiches der Mitteilungspflicht geschaffen (Code de Commerce, Artikel L. 141-23 f. und L. 23-10-1 f. in ihrer geänderten Fassung). Entsprechend ihrer ursprünglichen Zielsetzung gilt diese Bestimmung nunmehr nur noch für einen Unternehmensverkauf und nicht für sonstige Formen der Übertragung(Einbringung, Schenkung, Tausch usw.).
Mit anderen Worten, die Mitteilungspflicht gilt nunmehr im Falle eines Verkaufs des Geschäftsbetrieb oder einer Unternehmensbeteiligung von mehr als 50 % der Anteile am Kapital.
Trotz Anfragen aus der Wirtschaft wurde der konzerninterne Verkauf bedauerlicherweise nicht geregelt. Das ursprüngliche Ziel, die Schließung des Unternehmens mangels Käufer zu verhindern, rechtfertigt es nicht, dass auch interne Umstrukturierungen in den Anwendungsbereich der neuen Bestimmungen fallen. Diese sind weiterhin von der Mitteilungspflicht betroffen. Unbehandelt bleiben weiterhin Teilveräußerungen sowie sukzessive Kapitalveräußerungen, mit denen in mehreren Schritten eine Beteiligung von über 50 % übertragen wird. Diese werden durch das Macron-Gesetz nach wie vor nicht geregelt.
2. Lockerung der praktischen Mitteilungspflicht
Formal erleichtert das Macron-Gesetz die Mitteilungspflicht erheblich.
So können die Mitarbeiter auf beliebigem Wege informiert werden, sofern das Empfangsdatum der Mitteilung eindeutig ist. Erfolgt diese per Einschreiben mit Rückschein, so sieht das Macron-Gesetz vor, dass als Eingangsdatum für die Mitteilung nunmehr das Datum der ersten Vorlage des Einschreibens gilt und nicht mehr das Datum der Übergabe an den Empfänger (Code de Commerce, Art. L. 141-25, L. 141-30, L. 23-10-3 und L. 23-10-9 in ihrer geänderten Fassung).
Sollten die Arbeitnehmer tatsächlich ein Übernahmeangebot für das Unternehmen abgeben, so mussten sie sich gemäß dem Hamon-Gesetz direkt an den Geschäftseigentümer (unabhängig davon, ob er auch Betreiber war oder nicht) bzw. an den Eigentümer der Gesellschaftsanteile wenden. Das Macron-Gesetz erleichtert auch hier das Verfahren: Sollten die Eigentümer nicht gleichzeitig Betreiber des Geschäfts oder Geschäftsführer sein, ist es den Arbeitnehmern gestattet, sich direkt an letztere zu wenden, die wiederum für die Weiterleitung des Angebots an die Eigentümer zu sorgen haben (Code de Commerce,
Art. L. 141-23, L. 141-28, L. 23-10-1 und L. 23-10-7 in ihrer geänderten Fassung).
Schließlich ist nunmehr vorgesehen, dass keine Mitteilungspflicht gegenüber den Arbeitnehmern besteht, sofern diese bereits innerhalb der letzten 12 Monate vor dem Verkauf bezüglich einer möglichen Übernahme des Unternehmens informiert wurden.
3. Änderung der Sanktion bei Missachtung der Mitteilungspflicht: Bußgeld statt Nichtigkeit
Der wichtigste Beitrag des Macron-Gesetzes besteht jedoch in der Änderung der Sanktion beiMissachtung der Mitteilungspflicht.
Der wichtigste Kritikpunkt gegen das Hamon-Gesetz war die drohende Nichtigkeit des Unternehmensverkaufs, falls die Mitteilungspflicht nicht eingehalten wurde. Diese Sanktion wird nun durch ein Bußgeld ersetzt, das proportional zum Kaufpreis steht und maximal 2 % des Kaufpreises betragen darf.
Mit dieser Bestimmung wurde der durch das Verfassungsgericht als unverhältnismäßig bezeichnete Eingriff in die Unternehmensfreiheit behoben.
Das Macron-Gesetz trifft somit einige willkommene Korrekturen zu einer der am heftigsten kritisierten Maßnahmen. Die Inflation der Formalitäten im Rahmen einer Unternehmensveräußerung ist nicht behoben, so dass die Praxis auf weitere Berichtigungen hofft…
Anja Droege Gagnier und Robert Dorglandes
* alle Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern oder aber Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und entweder einem Umsatz von weniger als 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von weniger als 43 Millionen Euro