Bereits seit einigen Jahren scheint es unvermeidlich: während erneuerbare Energien bei der französischen Bevölkerung1 noch nie so populär waren wie heute und die Regierung ambitionierte Ziele für 2030 verfolgt, wird gegen die Mehrzahl aller Anlageprojekte zur Erzeugung von Strom oder Biogas aus erneuerbaren Energiequellen („EE-Projekte“) gerichtlich vorgegangen. Die Bauzeiten werden dadurch länger, und es gibt immer größere Prozesse im Zusammenhang mit illegalen Beteiligungen, bei denen Gemeinderäte, die auch Grundstückseigentümer sind, wegen ihrer Mitwirkung an Beschlüssen zugunsten eines EE-Projekts gerichtlich belangt werden.
Das Problem der lokalen Akzeptanz von EE-Projekten wollen die Behörden nun angehen. Hierfür soll der Dialog in Umweltsachen intensiviert und eine Möglichkeit zur Einbindung der lokalen Bürger bei Projektgestaltung und -leben geschaffen werden.
Der Artikel 111 des französischen Gesetzes Nr. 2015-992 vom 17. August 2015 „über eine Energiewende für ein grünes Wachstum“ („Gesetz TECV“ – „Loi relative à la transition énergétique pour la croissance verte“) stellt die Weichen für das Zusammenbringen von Bürgern und EE-Projekten durch die Aufnahme eines neuen Artikels L.314-27 in das französische Energiegesetzbuch (Code de l’Energie). Demnach sollen eigens für EE-Projekte „gegründete Aktiengesellschaften und Genossenschaften – bei Gründung bzw. Kapitalmaßnahmen –natürlichen Personen, insbesondere Anwohnern, die ihren Wohnsitz in der Nähe des Projektstandorts haben, sowie Gebietskörperschaften und deren Verbänden, auf deren Gebiet der Standort liegt, Anteile anbieten können. Sie können denselben Personen auch anbieten, sich an der Finanzierung des erneuerbaren Energieprojektes zu beteiligen.“
Gemäß diesem neuen Artikel L. 314-27 III des französischen Energiegesetzbuches haben die Projektträger die Möglichkeit, den Anwohnern und lokalen Gebietskörperschaften Beteiligungs- oder Finanzierungsangebote unmittelbar anzubieten oder auf Fonds oder spezialisierte Anbieter (Fonds für soziales Unternehmertum, Fonds für Kapitalanlagen in erneuerbaren Energien, als „gemeinnützige solidarische Gesellschaft“ zugelassene Gesellschaft, deren Gegenstand es ist, den Ausbau erneuerbarer Energien zu betreiben, Kapitalanlagendienstleister, Berater für partizipative Kapitalanlagen und Vermittler von partizipativen Kapitalanlagen) zurückzugreifen.
Die Umsetzung dieser Bestimmungen unterliegt der Veröffentlichung einer Durchführungsverordnung des Staatsrates, die die „Angebotsbeträge, die Nennwerte und die Kategorien von Anteilen sowie die Kategorien von Anlegern“ festlegen muss, für die die Angebote zur Teilnahme am Gesellschaftskapital bzw. an der Finanzierung kein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ (ehemals „öffentliche Inanspruchnahme des Kapitalmarkts“) im Sinne des Artikels L. 411-1 des französischen Finanzgesetzbuchs („Code Monétaire et Financier“) darstellen.
Die Herausforderung, vor der die Regierung steht, ist es, eine innovative Regelung zu finden, die die Besonderheiten von EE-Projekten berücksichtigt, von den Bestimmungen des Finanzgesetzbuchs abweicht, dabei jedoch die Regelungen der sogenannten, auf öffentliche Angebote von Wertpapieren anwendbaren Prospekt-Richtlinie (geänderte Richtlinie Nr. 2003/71 vom 4. November 20032) einhält und die Interessen der Investoren ausreichend schützt3.
Der erste Verordnungsentwurf, der zurzeit erörtert wird, übernimmt genau die vom Finanzgesetzbuch und von den Allgemeinen Vorschriften der französischen Finanzaufsichtsbehörde („Autorité des Marchés Financiers“ – AMF) (Artikel L. 411-2 des Finanzgesetzbuchs und L. 211-2 der Allgemeinen Vorschriften der AMF („Règlement général de l’AMF“) festgelegten Kriterien, um bestimmte, direkt von den Projektträgern vorgelegte Angebote von den Regelungen für öffentliche Angebote von Wertpapieren auszunehmen. Von den Regelungen für öffentliche Angebote von Wertpapieren des französischen Finanzgesetzbuchs sind diejenigen Angebote ausgenommen,
(i) deren Gesamtbetrag unter 100.000 EUR liegen;
(ii) deren Gesamtbetrag zwischen 100.000 EUR und 5.000.000 EUR liegen und deren damit erworbene Anteile nicht mehr als 50% des Kapitals des Emittenten ausmachen;
(iii) die sich an Investoren richten, die diese Wertpapiere für einen Gesamtbetrag pro Investor und Einzelangebot über mindestens 100.000 EUR erwerben;
(iv) die sich nur an qualifizierte Investoren richten (im Sinne des Artikels L. 411-2 Währungs- und Finanzgesetzes);
(v) die sich ausschließlich an einen eingeschränkten Investorenkreis richten, dessen Anzahl weniger als 150 beträgt, vorausgesetzt, dass diese Investoren für eigene Rechnung handeln.
Die in Ziffer (i) und (ii) genannten Schwellenwerte könnten aufgrund der nächsten europäischen Verordnung, die die Prospekt-Richtlinie ersetzen soll, angehoben werden. Demnach soll der Schwellenwert von 100.000 EUR auf 500.000 EUR erhöht und die Angebote, die einen Gesamtbetrag von 10.000.000 EUR innerhalb von zwölf Monaten nicht übersteigen, von der Pflicht zur Erstellung eines Prospektes befreit werden.
Die Angebote können entweder von Aktiengesellschaften oder von Genossenschaften stammen, einer mit dem Gesetz Nr. 47-1775 vom 10. September 1947 über das Statut der Genossenschaften geschaffenen Rechtsform, bei der jede Person, die zugunsten der Gesellschaft tätig wird, einen Anteil als Gegenleistung erwerben und über ein Stimmrecht verfügen kann. Zu den vereinfachten Aktiengesellschaften, die das traditionelle Vehikel für EE-Projekte sind, ist festzuhalten, dass sie in Anwendung des Artikels L. 227-2 des Handelsgesetzbuches („Code de Commerce“) Wertpapiere nur in den oben genannten Fällen (iii), (iv) und (v) öffentlich anbieten werden können.
Bezüglich der Bedingungen zur Teilnahme an EE-Projekte werden die Bürger die Möglichkeit haben, sich entweder im Stadium des Kapitalaufbaus der „Projektgesellschaft“ oder bei einer Kapitalmaßnahme – d.h. im Wesentlichen einer Kapitalerhöhung – zu beteiligen.
Auch wenn die dazugehörigen juristischen Mechanismen wohl bekannt sind, ist als interessant zu erwähnen, dass der Gesetzgeber bei der Form der Beteiligung oder der Finanzierung bewusst vage geblieben ist, was quasi unbegrenzte Möglichkeiten für Projektträger (Darlehen, Spenden usw.) eröffnet.
Weder im Gesetz noch im ersten Entwurf der Durchführungsverordnung stehen Einzelheiten über die Art und Weise, wie sich die Träger von EE-Projekten konkret an die Anwohner und lokalen Gebietskörperschaften werden wenden können. Dies lässt den EE-Projektteilnehmern, unter Vorbehalt späterer Präzisierungen, wertvolle Gestaltungsspielräume.
Bezüglich der Adressaten von Teilnahme- oder Finanzierungsangeboten ist zu erwähnen, dass es im Artikel L. 314-27 des französischen Energiegesetzbuches heißt, dass der Projektträger sich an natürliche Personen, „insbesondere an Anwohner, die ihren Wohnsitz in der Nähe des Projektstandortes haben“, richten kann. Somit schließt einerseits der Text nicht aus, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz nicht in der Nähe der Projekte haben, auch ein Angebot zur Teilnahme am Grundkapital oder ein Finanzierungsangebot zeichnen können und andererseits wird weder im Gesetz noch im Entwurf der Durchführungsverordnung
eine Definition der „Anwohner, die ihren Wohnsitz in der Nähe des Projektstandortes haben“ gegeben.
Auch wenn in den letzten Jahren Initiativen verbreitet waren, die von Bürgernähe gekennzeichnet sind und traditionelle Methoden der Projektfinanzierung verwenden, waren sie doch insbesondere durch die Regelungen für öffentliche Angebote von Wertpapieren sehr eingeengt, denn der Projektträger war verpflichtet, einen oft komplexen Finanzprospekt zu erstellen, der gegebenenfalls von der AMF zu genehmigen war. Dies stellte sowohl ein Risiko als auch einen Kostenfaktor für die oft kleineren Akteure dar.
Der im 3. Absatz Ziffer III Artikel L. 314-27 des französischen Energiegesetzbuches vorgesehene erste Entwurf der Durchführungsverordnung scheint die Projektträger von der Einhaltung dieses rechtlichen Rahmens nicht zu befreien, obwohl die Regierung bekundet, die „bürgerliche“ Komponente der EE-Projekte stärken zu wollen. Das Lastenheft für künftige Ausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen wird einen „Bonus“ für Anbieter vorsehen, die auf eine partizipative Finanzierung zurückgreifen.
Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, Erleichterungen vorzusehen.
Einige Fragen bleiben noch offen:
– Hat der Projektträger einen Handlungsspielraum zur Bestimmung der „Personen“, an die er sich wenden möchte und könnte man ihm die Tatsache, dass er den Adressatenkreis des Angebots auf irgendeine Art und Weise einschränkt, vorwerfen?
– Die Regierung hat die Artikel 199 terdecies-0 A und 885-0 V bis des französisches Steuergesetzbuches nicht geändert, die jeglichen steuerlichen Abzug sowohl im Bereich der Einkommensteuer als auch der Vermögensteuer („Impôt de Solidarité sur la Fortune“, ISF) für Aktieninhaber von Gesellschaften verbieten, die „eine Tätigkeit ausüben, die garantierte Einkünfte aufgrund eines geregelten Stromkaufpreises generiert“, was für Windenergieprojekte mit Teilnahme- bzw. Finanzierungsangeboten für Bürger bedauerlich zu sein scheint. Ebenso darf nach der Abzugsfähigkeit von Investitionen gefragt werden, die Bürger in Stromerzeugungsanlagen tätigen, die dem Mechanismus der „Prämie“ („complément de rémunération“) unterliegen. Dieser Mechanismus soll die Einspeisevergütung für nahezu alle Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien außer – zum derzeitigen Stand und entsprechend den Ankündigungen des Ministeriums für Umwelt, Energie und Meer – für Windenergie ersetzen.
Anouk Darcet-Felgen und Sébastien Canton
1 Gemäß einer am 7. und 8. Januar 2015 für den Fachverband Qualit’EnR durchgeführten Befragung von OpinionWay sind 89% der französischen Bevölkerung der Meinung, die Erzeugung von Wärme und Strom aus erneuerbaren Energien müsse gefördert werden.
2 Richtlinie 2003/71/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG.
3 Siehe zum Beispiel den Fall „Prokon“.