Die Verpflichtung, einen Erwerber zu suchen, besteht prinzipiell in zwei Fallgestaltungen. Die erste betrifft die Schließung eines Standorts, welche die Entlassung mehrerer Mitarbeiter zur Folge hat („Florange“ – Gesetz). Die zweite darin bestehende Verpflichtung, den Mitarbeitern hinreichende Informationen zur Verfügung zu stellen, um es ihnen zu gestatten, soweit sie es wünschen, ein Übernahmeangebot zu unterbreiten, resultiert aus den Gesetzen „Hamon“ und „Macron“.
I. Suche nach einem Erwerber bei Standortschließungen
Mit dem sogenannten „Florange“ – Gesetz vom 29. März 2014 wurde für einige Unternehmen die Verpflichtung eingeführt, im Falle einer geplanten Standortschließung, die zu Massenentlassungen unter Umsetzung eines Sozialplanes führt, innerhalb einer bestimmten Frist einen Erwerber zu suchen.
A. Geltungsbereich
Dies gilt für Unternehmen, die bei der betriebsbedingten Kündigung von Mitarbeitern dazu verpflichtet sind, diesen ein vom Unternehmen zu finanzierendes Förderprogramm zur Wiedereingliederung in den Beruf anzubieten (sog. „Congé de reclassement“), d.h. Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern in Frankreich oder in Europa, wobei hier die in der betreffenden Unternehmensgruppe beschäftigten Mitarbeiter berücksichtigt werden. Somit können von dieser Verpflichtung auch kleinere Unternehmen (z.B. mit lediglich 20 Mitarbeitern in Frankreich) betroffen sein.
Diese Verpflichtung betrifft nicht nur die Industrie, sondern sämtliche Branchen und somit auch den Dienstleistungssektor. Soweit allerdings ein Insolvenzverfahren gegen das Unternehmen eröffnet wurde, besteht keine Verpflichtung zur Suche nach einem Erwerber.
Unter der Schließung eines Standorts ist neben der Einstellung der Unternehmensaktivität auch die Zusammenlegung mehrerer Standorte, welche einen Transfer der Arbeitsplätze in ein anderes Beschäftigungsgebiet zur Folge hat, zu verstehen. Ein Standort ist jeder Betrieb, der zur Einrichtung eines Betriebsrates verpflichtet ist, also eine geographisch eigenständige, mit einer hinreichenden Verwaltungsautonomie ausgestattete Betriebsstätte von gewisser Dauer.
B. Verfahren
Die Einberufung des Betriebsrats zu einer Anhörung über die geplante Schließung durch den Arbeitgeber hat spätestens zu Beginn des Anhörungsverfahrens zu den betriebsbedingten Kündigungen von mehr als 10 Mitarbeitern innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen zu erfolgen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es sich hierbei um zwei unabhängige Anhörungsverfahren handelt. Zur Vermeidung jeglicher Verwirrung wird empfohlen, zwei Betriebsratssitzungen durchzuführen, selbst wenn sich die in Ansehung dieser Anhörungen übermittelten Informationen teilweise gleichen.
Anlässlich der Sitzungen übermittelt der Arbeitgeber den Betriebsratsmitgliedern alle erforderlichen Informationen zum Vorhaben, insbesondere:
- die wirtschaftlichen, finanziellen oder technischen Gründe für die geplante Schließung,
- die geplanten Maßnahmen zur Suche nach einem Erwerber,
- die Bedingungen für ein Übernahmeangebot der Arbeitnehmer, wobei unter Umständen ein durch das Unternehmen zu vergütender Sachverständiger hinzuzuziehen ist.
Das Unternehmen hat des Weiteren neben der zuständigen Arbeitsbehörde (DIRECCTE) auch den Bürgermeister des Ortes sowie den Präfekten von der geplanten Schließung in Kenntnis zu setzen. Der Präfekt und die örtlichen Behörden können sich an der Suche nach einem Erwerber beteiligen, was ganz besonders in Kommunen, die ein besonderes Interesse am Bestand der Arbeitsplätze in ihrer Region haben, der Fall sein wird.
Nach erfolgter Information des Betriebsrates und der zuständigen öffentlichen Stellen kann die Suche nach einem Erwerber beginnen. Dabei sind folgende Verpflichtungen zu beachten:
- Information der potentiellen Erwerber vom geplanten Verkauf mittels geeigneter Kommunikationswege,
- Erstellen der Informationsunterlagen für potentielle Erwerber,
- Erstellen einer Umweltbilanz, soweit erforderlich,
- Gewährung von Zugang zu allen für die potentiellen Erwerber erforderlichen Informationen. Aus Gründen der Vertraulichkeit sind sämtliche Informationen, die den Interessen des Unternehmens schaden könnten (Vertriebsgeheimnisse, Produktionsgeheimnisse, Patente, etc.), sowie Informationen, die die Fortführung der Unternehmensaktivität gefährden könnten, von diesem Prinzip ausgenommen.
Der Arbeitgeber hat die ihm zugegangenen Übernahmeangebote innerhalb von 8 Tagen an den Betriebsrat weiterzuleiten. Jeder Bewerber erhält vom Unternehmen eine Antwort unter Angabe der Gründe für die Entscheidung. Zur Prüfung dahingehend, ob der Arbeitgeber seine Verpflichtungen im Rahmen der Suche nach einem Erwerber vollumfänglich beachtet hat, kann der Betriebsrat einen Sachverständigen hinzuziehen.
Hierbei sei darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber die Stellungnahmen des Betriebsrates bei seiner Entscheidungsfindung nicht zwingend berücksichtigen muss.
Bei der Suche nach einem Erwerber sind folgende, mit Zustimmung des Betriebsrates (unter Hinzuziehung der zuständigen Behörden) allerdings verlängerbare Fristen zu beachten:
- 2 Monate bei einer Schließung, die weniger als 100 Stellenstreichungen zur Folge hat,
- 3 Monate bei einer Schließung, die zwischen 100 und 250 Stellenstreichungen zur Folge hat,
- 4 Monate bei einer Schließung, die mehr als 250 Stellenstreichungen zur Folge hat.
Möchte der Arbeitgeber nach Ablauf der obengenannten Fristen kein Übernahmeangebot annehmen oder sind solche Angebote sogar ausgeblieben, erstattet er dem Betriebsrat und der zuständigen Arbeitsbehörde entsprechend Bericht. In diesem Bericht werden die Maßnahmen zur Suche nach einem Erwerber, die Übernahmeangebote sowie die Gründe für ihre Ablehnung aufgeführt.
Soweit der Arbeitgeber ein Übernahmeangebot annehmen möchte, ist der Betriebsrat unter Angabe der dahingehenden Gründe anzuhören, wobei die Kapazitäten des Bewerbers, den Fortbestand des Unternehmens sicherzustellen, zu berücksichtigen sind. Unabhängig davon, ob es zu einer befürwortenden oder ablehnenden Stellungnahme des Betriebsrates kommt, endet mit ihr das Verfahren zur Suche nach einem Erwerber.
Die Verpflichtung des Arbeitgebers beschränkt sich auf die Suche nach einem Erwerber. Er muss einen solchen somit nicht unbedingt finden oder eventuelle Angebote zwingend annehmen. Allerdings hat er einen Nachweis hinsichtlich der tatsächlichen und gutgläubigen Suche zu erbringen.
C. Rechtsfolgen
Bei Missachtung der Verpflichtung zur Suche nach einem Erwerber wird die zuständige Behörde die Genehmigung des Sozialplans verweigern. Dem Arbeitgeber bleibt dann nur noch die erneute Durchführung des Verfahrens. Dazu wird es insbesondere kommen, wenn die Behörde die Maßnahmen zur Suche nach einem Erwerber für unzureichend hält.
Soweit dem von der Schließung betroffenem Unternehmen in den letzten beiden Jahren vor Einleitung des Kündigungsverfahrens staatliche Beihilfen zur Niederlassung, wirtschaftlichen Entwicklung, Forschung oder Beschäftigung gewährt wurden, sind diese zurückzuzahlen.
Außerdem können gegen Personalvertreter, die im Rahmen des Verfahrens zur Suche nach einem Erwerber erworbene vertrauliche Informationen weitergegeben haben, Disziplinarmaßnahmen eingeleitet werden. Soweit diese Informationen Dritten mit dem Ziel, dem Unternehmen zu schaden, zugänglich gemacht wurden, kann der Arbeitgeber einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Hauptanliegen der Arbeitgeber im Rahmen der Suche nach einem Erwerber ist in der Tat die Vertraulichkeit der Informationen.
II. Die Betriebsübernahme durch Mitarbeiter
Zur Förderung der Unternehmensübernahme durch die Mitarbeiter wurden zwei gesetzliche Informationspflichten eingeführt:
- Allgemeine alle 3 Jahre erfolgende Informationspflicht zu rechtlichen Voraussetzungen, Vorteilen, Schwierigkeiten und finanziellen Beihilfen zur Mitarbeiterübernahme in Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten.
- Spezielle Informationspflicht bei geplanten Asset Deals oder der geplanten Übertragung mehrheitlicher Beteiligungen in Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, um es den Mitarbeitern zu ermöglichen, ein Angebot zu unterbreiten (Bei Unterlassen dieser Informationspflicht kommt es zu einer Strafzahlung in Höhe von 2% des Verkaufspreises).
Soweit das Unternehmen seiner allgemeinen dreijährigen Informationspflicht innerhalb der 12 dem Veräußerungsvorhaben vorangegangenen Monaten nachgekommen ist, unterliegt es nicht der speziellen Informationspflicht im Falle von Asset Deals oder der geplanten Übertragung mehrheitlicher Beteiligungen. Zur Sicherheit empfehlen wir allerdings, der speziellen Informationspflicht dennoch nachzukommen.
Per Durchführungsverordnung vom 4. Januar 2016 wurden die im Rahmen der allgemeinen alle 3 Jahre erfolgenden Informationspflicht zu übermittelnden Informationen bestimmt:
- wesentliche Schritte zum Erwerb eines Unternehmens unter Angabe der Vorteile und Schwierigkeiten für die Arbeitnehmer und den Veräußerer,
- Liste der öffentlichen Stellen, die die Mitarbeiter bei ihrem Übernahmeprojekt unterstützen können,
- juristische Aspekte einer Übernahme durch die Mitarbeiter,
- finanzielle Beihilfen,
- Hauptkriterien für die Bewertung der Gesellschaft, Kapitalstruktur, Zukunftsaussichten,
- Umstände und Voraussetzungen der Kapitalgeschäfte die Gesellschaft und die Mitarbeiter betreffend.
Laut Verordnung sind diese Informationen schriftlich oder mündlich durch den gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft im Rahmen einer Versammlung, zu welcher die Mitarbeiter ordentlich zu laden sind, zu übermitteln. Selbst wenn für die Übermittlung der Ladung kein besonderes Mittel vorgeschrieben ist, empfiehlt sich eine Ladung per Einschreiben mit Rückantwort. Dadurch wird vermieden, dass sich die Mitarbeiter später auf ein Unterlassen des Arbeitgebers hinsichtlich der Ladung zu einer Informationsveranstaltung berufen.
Schlussfolgerung: In Anbetracht der kostenintensiven Rechtsfolgen bei Missachtung bestimmter Verpflichtungen (insbesondere Ungültigkeit des Sozialplanes und Verpflichtung zur Rückzahlung von staatlichen Beihilfen) sollten sich die Eigner im Falle der Unternehmensveräußerung im Vorfeld versichern, dass alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen wurden. Unabhängig von den gesetzlichen Fallgestaltungen kann ein Unternehmen vorab versuchen, einen Bereich (häufig nicht Teil seines zentralen Tätigkeitsfelds), von dem es sich trennen möchte, zu veräußern. In diesem Fall würden im Hinblick auf die Belegschaftsvertretung erheblich vereinfachte Anhörungspflichten gelten. Zudem könnte ein höheres Maß an Vertraulichkeit bei den Verhandlungen mit dem Erwerber gewährleistet werden.
Dr. iur. Aymeric Le Goff, Constance Koch