Nach langen Debatten hat die französische Nationalversammlung mit dem « Gesetz zur Sorgfaltspflicht von Muttergesellschaften und Auftraggebern », welches am 28. März im Gesetzblatt veröffentlicht wurde, ein neues Prinzip der Sorgfaltspflicht für Muttergesellschaften im Verhältnis zu Ihren Tochtergesellschaften, Lieferanten und Subunternehmern eingeführt.
Das Ziel dieses neuen Gesetzes ist es, « international agierende Gesellschaften zur Verantwortung zu ziehen, um das Vorfallen von Dramen in Frankreich und im Ausland zu verhindern und Schadensersatz für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Schädigung der Umwelt zu ermöglichen1».
Dieser Wille, die „Globalisierung zu regulieren“, wie der Berichterstatter Dominique Potier es anmerkt, war Folge einer Serie von dramatischen Unfällen, insbesondere des Rana Plaza in Bangladesch.
Der Gesetzesentwurf hatte heftige Debatten ausgelöst, insbesondere wegen potentieller Wettbewerbsnachteile für die französischen Unternehmen, obwohl ein Großteil dieser Unternehmen schon Verhaltenskodizes und Compliance Programme aufgelegt haben.
Die betroffenen Gesellschaften sind aufgrund des Gesetzes nun gehalten, einen „Sorgfaltsplan“ zu erstellen, dessen Nichtanwendung sanktioniert werden kann. Diese Pflicht überschneidet sich somit zum Teil mit dem Gesetz Sapin II vom 9. Dezember 20162, welches ebenfalls für Unternehmen einer bestimmten Größe die Erarbeitung eines Planes (hier allerdings zur Compliance) vorsieht.
Die Pflicht, den Plan zu erstellen ist für das laufende Geschäftsjahr schon anwendbar. Die Pflichten zur Veröffentlichung des Plans, sowie die Sanktionen im Falle der Nichtbefolgung der Pflicht, sind anwendbar ab dem Bericht3 über das erste nach Inkrafttreten der Regeln begonnene Geschäftsjahr.
Anwendungsbereich
Diese Bestimmungen finden Anwendung auf alle Unternehmen4, welche am Ende von zwei fortlaufenden Geschäftsjahren mindestens beschäftigen:
- 5000 Arbeitnehmer, entweder direkt oder indirekt über Tochtergesellschaften mit Sitz im Inland; oder
- 10000 Arbeitnehmer, entweder direkt oder indirekt über Tochtergesellschaften mit Sitz im Inland oder im Ausland5.
Obwohl der Text direkt nur große Unternehmen betrifft, werden kleinere und mittlere Unternehmen dennoch indirekt betroffen sein, wenn sie Zulieferer von großen Unternehmen sind. Die großen Unternehmen werden ihren Zulieferern ihre Bedingungen auferlegen, die sie im Rahmen des Plans für notwendig halten.
Der „Sorgfaltsplan“ hat die folgenden Aktivitäten zu umfassen:
- der Muttergesellschaft selbst
- aller Gesellschaften die sie direkt oder indirekt kontrolliert6;
- der Subunternehmer und Zulieferer mit denen eine „ständige Handelsbeziehung“ gibt7.
Inhalt des Plans
Der Plan hat „sinnvolle Maßnahmen der Sorgfalt zu enthalten, die geeignet sind, die Risiken zu identifizieren und schwere Verstöße gegen Menschenrechte und Grundfreiheiten zu vermeiden, oder Schädigung der Gesundheit, der Sicherheit von Personen sowie der Umwelt in den verschiedenen betroffenen Betrieben“.
Er beinhaltet folgende Maßnahmen, die zum Teil schon in dem Gesetz „Sapin II“ enthalten sind, geht jedoch weiter:
- eine Kartographie der Risiken welche dazu dienen soll, die Risiken zu identifizieren, zu analysieren und hierarchisieren;
- Prozesse um die Situation in den Tochtergesellschaften, bei den Zulieferern und Sub-Unternehmern regelmäßig zu überprüfen im Hinblick auf die Kartographie der Risiken;
- angemessene Handlungen um die Risiken zu verringern und schwere Verstöße zu vermeiden;
- einen Mechanismus für Informanten und zur Sammlung von Hinweisen zum Vorliegen oder zur Realisierung von Risiken, welche in Zusammenarbeit mit den im wesentlichen vertretenen Gewerkschaften der betroffenen Gesellschaft erarbeitet wird;
- eine Organisation, um die Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen nachzufassen und zu bewerten.
Der Sorgfaltsplan und die Darstellung seiner Umsetzung sind zu veröffentlichen.
Der Plan soll mit den „interessierten Parteien“ der Gesellschaft erarbeitet werden, gegebenenfalls im Rahmen der Mehrparteieninitiativen oder auf örtlicher Ebene. Das Gesetz definiert die „interessierten Parteien“ nicht, aber es dürfte sich handeln um die Gewerkschaften, die verschiedenen Vereine welche diverse Interessen vertreten, aber auch NGOs. Der Verweis auf die „Mehrparteieninitiativen“ wird es erlauben, sich auf Vereinbarungen zu beziehen, die zunehmend durch die verschiedenen Industriesparten international verhandelt werden.
Sanktionen
Eine Gesellschaft die ihrer Pflicht zur Aufstellung oder Einführung des Planes nicht nachkommt kann in Verzug gesetzt werden. Wenn sie ihrer Pflicht nicht innerhalb von drei Monaten nachkommt, kann ein zuständiges Gericht auf Antrag einer Person, die ein berechtigtes Interesse hat, eine Verpflichtung auferlegen, unter Umständen unter Zwangsgeld8. Das Gesetz führt jedoch nicht aus, wer die Gesellschaft in Verzug setzen kann, im Gegensatz zum Gesetz Sapin II demgemäß dieses Recht der neu geschaffenen „französischen Antibestechungsagentur“ zufällt.
Zusätzlich kann jede berechtigte Person Schadensersatz von der Gesellschaft verlangen für den Schaden, der durch die Erfüllung ihrer Pflichten hätte vermieden werden können9. Dennoch kann es für die Opfer unter Umständen schwierig sein, die Kausalität zwischen Schaden und dem Fehlverhalten in einem dritten Land nachzuweisen.
Ursprünglich sah der Gesetzesentwurf vor, dass eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 Millionen Euro verhängt werden konnte, bei schweren Verstößen gegen Grundrechte sogar bis 30 Millionen. Die Geldbuße wurde jedoch vom frz. Verfassungsrat10 wegen der Unbestimmtheit der Tatbestände für verfassungswidrig erklärt.
Schlussfolgerung
Dieses Gesetz steht in einer Linie mit dem Gesetz Sapin II, indem es Unternehmen mit einer bestimmten Größe die Pflicht auferlegt, einen „Sorgfaltsplan“ zu erstellen. Wenngleich das Anliegen als solches zu begrüßen ist, kann man die Sinnhaftigkeit einer solchen Initiative auf nationalem Level hinterfragen. Problematisch bleiben die praktisch schwierige Anwendung, die unklaren verwendeten Begriffe, sowie die mangelnde Koordinierung mit dem Gesetz Sapin II.
Obwohl diese Bestimmungen nur auf große Unternehmen Anwendung finden, darf die Auswirkung auf kleinere und mittlere Unternehmen aufgrund der Weitergabe derartiger Pflichten in den Vertragswerken nicht unterschätzt werden. Letztere haben nicht die gleichen Mittel zur Umsetzung wie die großen Unternehmen, welche in den meisten Fällen ohnehin schon über derartige Programme oder Guidelines verfügen.
Derartige Prozeduren können andererseits durch die Unternehmen für eine positive Kommunikation eingesetzt werden. Die Sorgfaltspflicht könnte diese positive Kommunikation noch verstärken und auf diese Weise positiv genutzt werden.
Dr. Antje Luke und Robert Dorglandes
1 Gesetzesentwurf AN Nr. 2578, 11; Februar 2015, zur Sorgfaltspflicht der Muttergesellschaften und der Auftraggeber.
2 Gesetz zur Transparenz, zum Kampf gegen die Korruption und zur Modernisierung des wirtschaftlichen Lebens.
3 Bericht zum « Stand der Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital » nach Art. L 225-102 des frz. Handelsgesetzbuches.
4 Die betroffenen Gesellschaftsformen sind Aktiengesellschaft (SA) und aufgrund des generellen Verweises vereinfachte Aktiengesellschaften (SAS) und Kommanditgesellschaften auf Aktien.
5 Fraglich ist nach der Formulierung des Textes, ob diese Vorschriften nur auf Konzernspitzen mit Sitz in Frankreich anwendbar sind, oder auch wenn sich der Sitz im Ausland befindet. Die Kommentare scheinen von ersterem auszugehen.
6 « Kontrolle » ist zu verstehen im Sinne des Artikel L 233-16 II des frz Handelsgesetzbuch.
7 Für diesen Begriff kann wohl auf die umfangreiche Rechtsprechung zur Figur der « Beendigung einer ständigen Handelsbeziehung » welche durch Art. L 420-2 und L 442-6 des frz Handelsgesetzbuches sanktioniert wird, zurückgegriffen werden.
8 Art. L 225-102-4 II frz. Handelsgesetzbuch.
9 Art. L 225-102-5 frz. Handelsgesetzbuch.
10 Entscheidung vom 23. März 2017 nr. 2017-750 DC.