Der Zoll spielt in Frankreich eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung widerrechtlicher Nachahmungen, namentlich durch die Einziehung von Waren.
In der Praxis wälzen Markeninhaber immer öfter die Kosten und das Risiko der Bekämpfung der widerrechtlichen Nachahmung ihrer Marken und die damit einhergehende Verantwortung auf die Zollverwaltung ab. Der Zoll übernimmt hierbei oftmals die Aufgaben der Wirtschaftsakteure, wenn diese keine gerichtlichen Schritte einleiten möchten.
Doch obliegt es wirklich dem französischen Staat, die Kosten und den Schutz des wirtschaftlichen Monopols privater Interessen zu tragen bzw. zu gewährleisten?
Das Berufungsgericht Paris hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 13. September 2016 indirekt beantwortet.
In dem zu entscheidenden Fall ging es um eine durch den Zoll durchgeführte Einziehung von Waren infolge eines Antrags auf Zollaufsicht des französischen Hoheitsgebiets, der von den die Marken Gucci, Chanel und Hermès verwertenden Unternehmen gestellt worden war.
Nach der zollamtlichen Einziehung der betreffenden Waren bestätigten diese Unternehmen der Zollbehörde, dass sich unter den eingezogenen Produkten widerrechtliche Nachahmungen befanden. Sie unterließen es jedoch, die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung der zollamtlichen Überlassung zu ergreifen; insbesondere gingen sie nicht gerichtlich gegen die Nachahmungen vor.
Nachdem die zollamtliche Aufhebung der Einziehung der Waren erklärt worden war, beschlagnahmte der Zoll die von den Markeninhabern als widerrechtlich nachgeahmt eingestuften Produkte nach den einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen.
In seiner Entgegnung machte der Importeur der Waren geltend, dass die Einziehung aufgrund des Umstands, dass die Firmen Gucci, Chanel und Hermès weder ein zivil- noch ein strafrechtliches Verfahren fristgerecht eingelegt hatten, von Rechts wegen hätte aufgehoben werden müssen.
Er machte weiterhin geltend, dass die Zollverwaltung (i) nicht befugt sei, über das Vorliegen einer widerrechtlichen Nachahmung zu entscheiden, (ii) die Zollverwaltung zugunsten privatrechtlicher Unternehmen gehandelt habe, die um das behördliche Tätigwerden ersucht hatten, und (iii) die Behörde infolge der verfahrensrechtlichen Untätigkeit dieser Unternehmen deren Aufgaben übernommen habe.
Das Berufungsgericht Paris nahm in seinem Urteil hierzu folgendermaßen Stellung:
„Im Übrigen ist die Einziehung nach Artikel 323 Abs. 2 des Zollgesetzbuchs bei Feststellung eines zollrechtlichen Verstoßes statthaft.
Aus dem Beschlagnahmeprotokoll geht jedoch hervor, dass sich die Zollbeamten bei der Beurteilung, ob es sich bei den Waren um widerrechtliche Nachahmungen und somit um verbotene Waren im Sinne des Zollgesetzbuchs handelte, ausschließlich auf die Erklärungen der Firmen Chanel, Gucci und Hermès stützten.
Vor diesem Hintergrund, und aufgrund des Fehlens unmittelbarer Feststellungen hinsichtlich der widerrechtlichen Nachahmung der betreffenden Waren, war die Zollbehörde nicht berechtigt, diese Waren mit der Begründung zu beschlagnahmen, dass gegen zollrechtliche Einfuhrbestimmungen verstoßen wurde, ohne dass der Verbotscharakter dieser Waren erklärt wurde.
Daraus folgt, dass die Beschlagnahme für die Firma B eine offensichtlich rechtswidrige Rechtsverletzung darstellt.“
Das Berufungsgericht verurteilte die Zollbehörde zur Zahlung eines Vorschusses von 5 000 € an den Importeur der betreffenden Waren, der auf den entgangenen Gewinn anzurechnen sein wird, welcher vom Gericht in einem noch zu ergehenden Urteil in der Hauptsache festgesetzt werden wird.
Diese Entscheidung ist in mehrfacher Hinsicht interessant:
- Einerseits kann sich die Zollverwaltung nun nicht mehr damit begnügen, eine Beschlagnahme auf der Grundlage zollrechtlicher Bestimmungen durchzuführen, die lediglich auf der Bestätigung der betreffenden Markeninhaber beruht, dass es sich bei den betreffenden Waren um widerrechtliche Nachahmungen handelt. Das Berufungsgericht vertritt die Ansicht, dass die Behörde bei der Bewertung, ob es sich um widerrechtliche Nachahmungen handelt, ihre eigenen Feststellungen anstellen muss.
- Andererseits hat es den Anschein, dass die Haftung des Zolls anstelle der des Markeninhabers geltend gemacht werden kann, wenn die zollamtliche Beschlagnahme Waren betrifft, deren Widerrechtlichkeit lediglich auf einer entsprechenden Erklärung des Markeninhabers beruht. Der Besitzer der Waren könnte daher eine Entschädigung für Schäden geltend machen, die er aufgrund der Beschlagnahme erlitten hat.
So war es die Zollbehörde, die aufgrund der Untätigkeit der Markeninhaber in verfahrensrechtlicher Hinsicht (wahrscheinlich weil die Verfahrenskosten im Hinblick auf die betroffenen Mengen als zu hoch eingeschätzt wurden, oder um ihre Rechte vor eventuellen, auf Nichtigerklärung oder Verfall wegen Nichtgebrauchs abzielende Widerklagen zu schützen) anstelle der Markeninhaber das Risiko und die Kosten für die Bekämpfung widerrechtlicher Nachahmungen trug.
Sollte eine Reaktion wie die des Importeurs weitere Kreise ziehen, könnte sich die Zollverwaltung im Falle einer Untätigkeit des Inhabers von dem durch sie gewährleisteten Schutz von Marken, Patenten sowie Geschmacks- und Gebrauchsmustern lossagen und die Wahrnehmung der den Wirtschaftsakteuren obliegenden Aufgaben im Rahmen des Schutzes ihrer geistigen Eigentumsrechte vor den Gerichten ablehnen.
Die Zollbehörden könnten darüber hinaus auch ihre Praxis einstellen, Waren auf der Grundlage zollrechtlicher Bestimmungen nach Aufhebung der zollamtlichen Einziehung zu beschlagnahmen.
Daher ist es heute wichtig, dass die Inhaber von Marken diese sich abzeichnende Änderung sowie die oben erwähnte Rechtsprechung in ihrer Strategie zur Verteidigung ihrer Marken, Patente sowie Geschmacks- und Gebrauchsmuster in Frankreich berücksichtigen.
BMH AVOCATS begleitet Sie gerne gemeinsam mit unseren Partnern bei der Ausarbeitung von Strategien zum aktiven Schutz Ihrer geistigen Eigentumsrechte in Frankreich und im Ausland.
Dr. iur. Martin Hauser, Stéphane Dassonville