Die Covid-19-Krise hat verschiedene europäische Regierungen veranlasst, ihre Politik zur Kontrolle ausländischer Investitionen in der Eile zu überprüfen.
Am 25. März 2020 forderte die Präsidentin der Europäischen Kommission die Mitgliedstaaten auf, ihre Sicherheit und wirtschaftliche Souveränität zu schützen und „EU-Unternehmen und kritische Vermögenswerte zu erhalten, insbesondere in Bereichen wie Gesundheit, medizinische Forschung, Biotechnologie und Infrastrukturen, die für unsere Sicherheit und öffentliche Ordnung von wesentlicher Bedeutung sind, ohne die allgemeine Offenheit der EU für ausländische Investitionen zu untergraben“1.
Im Jahre 2019 waren Frankreich und Deutschland Ziel von nicht weniger als 18,8% bzw. 15,1% der gesamten ausländischen Direktinvestitionen in Europa2. Im Licht der sanitären Krise äußerten sich daher der französische Wirtschaftsminister am 29. April3 und der deutsche Bundeswirtschaftsminister am 8. April4 über die Regimeerweiterung der jeweiligen nationalen Investitionsprüfungsregelungen auf den ganzen Gesundheitssektor und auf Investoren aus Nicht-EU-Staaten, die auf eine – eventuell provisorisch – herabgesetzte Kontrollschwelle von 10% des Kapitals eines strategischen Unternehmens abzielen. Die Erweiterung der Kontrolle in Deutschland auf bestimmte Aktivitäten des Gesundheitsbereichs ist inzwischen in die Außenwirtschaftsverordnung aufgenommen worden5.
Diese Anpassungen im Rahmen der außergewöhnlichen Gesundheitskrise sind nur ein weiterer Schritt der bereits begonnenen Tendenz zur Stärkung der Kontrolle der Direktinvestitionen aus Drittstaaten durch europäische und nationale Behörden – in Frankreich sogar aus Mitgliedstaaten der EU!
Nach diversen Änderungen6 zur immer weitergehenden Verstärkung der Kontrolle von Direktinvestitionen sind in Frankreich neue Regeln am 1. April 2020 in Kraft getreten7. Wesentliche Punkte der Reform sind die Erweiterung des Anwendungsbereichs des Genehmigungsvorbehalts für ausländische Direktinvestitionen (I.) sowie Klarstellungen zum und eine Straffung des Verfahrens vor der zuständigen Generaldirektion des französischen Wirtschaftsministeriums (II.).
I. Wer bedarf einer Genehmigung?
Ausländische Investitionen in französischen Unternehmen sind grundsätzlich frei8, mit Ausnahme von Transaktionen in sensiblen Bereichen, die ggf. durch die französischen Behörden vor Durchführung genehmigt werden müssen9.
Nach Art. L 151-3 Code Monétaire et Financier (hiernach „CMF“: frz. Bank- und Kapitalmarktrechtsgesetzbuch), präzisiert durch Art. R153-1 ff. CMF (Verordnung), ist eine vorherige Genehmigung des französischen Wirtschaftsministeriums bei « ausländischen Investitionen » in eine Aktivität in Frankreich erforderlich, die entweder an der Ausübung öffentlicher Gewalt teilnimmt oder zu Aktivitäten gehört, die die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder Interessen der nationalen Verteidigung gefährden könnten, oder noch Aktivitäten mit spezifischem Bezug auf Waffen.
a) Erweiterung der Definition der „ausländischen Investition“
Die Vorschriften für Investoren aus EU-Staaten und Nicht-EU-Staaten sind nun vereinheitlicht und in eine Vorschrift zusammengeführt worden. Grundsätzlich kann – wie schon unter den vorigen Vorschriften – auch eine Investition aus EU-Staaten unter das Genehmigungserfordernis fallen. Unerheblich ist, ob das französische Unternehmen vorher schon in ausländischen Händen stand.
Eine „Investition“ ist definiert als:
- kapitalistische Kontrollübernahme im Sinne des frz. Handelsgesetzbuches (Art. L 233-3) – d.h. der rechtliche oder faktische Erwerb der Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung oder sogar von mehr als 40% der Stimmen, oder
- Übernahme eines Betriebs- bzw. Betriebsteils durch einen ausländischen Investor über ein Unternehmen in Frankreich (Art. R 151-2 CMF) oder
- nur für Nicht EU-Investoren: das Überschreiten einer direkten oder indirekten Beteiligung von 25% der Stimmrechte einer französischen Gesellschaft. Diese letzte Schwelle ist mit der Reform herabgesetzt worden (früher: 33%).
Wichtig ist deshalb zu wissen, ob ein Investor nicht indirekt aus einem Drittstaat stammt.
Zu beachten ist darüber hinaus, dass das französische Wirtschaftsministerium als Reaktion auf die Covid-19 Krise eine vorübergehende Herabsetzung dieser Schwelle auf 10% bis Ende 2020 angekündigt hat (Verordnung ist derzeit allerdings noch nicht veröffentlicht). Da Deutschland dieselbe Schwelle von 10% für nicht provisorische Zeit auf Gesetzebene, festlegen zu wollen scheint, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese herabgesetzte Schwelle für eine längere Zeit auch in Frankreich zu Investitionskontrollen führen wird.
b) Erweiterung der Definition des relevanten Zielunternehmens
Genehmigungspflichtig sind nur Investitionen in Unternehmen, die in abschließend aufgeführten, sensiblen Sektoren tätig sind10. Der Katalog der sensiblen Tätigkeiten wurde über die letzten Jahre wiederholt ergänzt – zuletzt als Reaktion auf die Covid-19 Krise um „Biotechnologien“11. Neben den klassischen Bereichen der Wehrtechnik, oder die innere Sicherheit betreffende Tätigkeiten oder Dual-Use Produkte sind besonders hervorzuheben Unternehmen, die Verträge mit Versorgungsunternehmen oder Unternehmen, welche von vitalem Interesse für die Nation sind, haben, und seit 2019 kritische Technologien wie Cybersicherheit, künstliche Intelligenz, Robotik, additive Fertigung, Halbleiter, Quantentechnologien, Energiespeicherung, ….
Die Liste ist somit sehr weitreichend, selbst für EU-Investitionen! Es ist uU genau mit dem Zielunternehmen zu prüfen, in welchen Bereichen es tätig ist, und mit welchen Unternehmen es wichtige Verträge hat.
Sollten Zweifel an der Anwendung auf eine bestimmte Tätigkeit bestehen, könnte der potentielle Investor bzw. seit der Reform das von der Investition betroffene französische Unternehmen zur Klärung eine schriftliche Anfrage an das Wirtschaftsministerium stellen12. Das Wirtschaftsministerium muss innerhalb von zwei Monaten antworten. Das Ausbleiben einer Antwort innerhalb dieser Frist gilt allerdings nicht als stillschweigende Genehmigung.
II. Wie läuft das Verfahren?
Die neuen Regeln haben den Inhalt des Antrags auf Genehmigung und der einzureichenden Unterlagen wesentlich präzisiert, aber auch erheblich erweitert. So sind zB – selbstverständlich neben detaillierten Angaben zum Investor – genaue Angaben zu den Tätigkeiten des Zielunternehmens, seinen Konkurrenten, seinen wesentlichen Vertragspartnern erforderlich. Der Antrag ist deshalb sorgfältig und unter Einbindung des Zielunternehmens vorzubereiten.
Nicht klar geregelt ist, wann genau der Antrag einzureichen ist. Die jüngste Reform hat diese Frage ebenso nicht näher geklärt. Da die Investition nicht ohne Genehmigung „durchgeführt“ werden darf, geht die Praxis im Allgemeinen davon aus, dass ein Kaufvertrag zwar mit aufschiebender Bedingung unterschrieben, aber nicht durchgeführt werden darf. Von einigen wenigen Autoren wird empfohlen, sogar die entsprechenden Verträge nicht vor Genehmigung zu unterschreiben.
Das Genehmigungsverfahren wurde nun gestrafft: Innerhalb eines Monats nach Eingang des vollständigen Antrags hat das Ministerium zu entscheiden, ob die Investition der Kontrolle unterliegt, sofort genehmigt wird, oder eine nähere Prüfung (zB zur Auflage von Bedingungen) erfordert. Bei fehlender Antwort innerhalb des Monats gilt der Antrag als abgelehnt. Dies ist ein wichtiger Unterschied zur vorherigen Lage, bei der nach einer Frist von zwei Monaten ab Eingang des Antrags die Genehmigung als erfolgt galt. Steigt die Behörde in die vertiefte Prüfung ein, hat sie innerhalb von 45 Tagen nach Zugang der ersten Mitteilung eine Entscheidung zu treffen.
In der Praxis hat das Wirtschaftsministerium das Verfahren jedoch dadurch erheblich in die Länge ziehen können, dass es den Antrag nicht als komplett ansah. Es steht zu hoffen, dass die Behörde diese Praxis nun einschränken wird.
Die Genehmigung kann grundsätzlich nur durch begründeten Beschluss abgelehnt werden (Art. R. 151-10 CMF), wird in der Praxis jedoch regelmäßig mit Auflagen erteilt, die dazu dienen, die nationalen Interessen der Verteidigung oder öffentlichen Sicherheit sicherzustellen. Diese müssen streng verhältnismäßig sein. Derartige Bedingungen können sich zB auf die Fortführung wichtiger Verträge beziehen.
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Genehmigungsbedürfnisse sind selbst bei Investitionen durch EU-Unternehmen sorgfältig zu prüfen und im Falle der Genehmigungspflicht gut vorzubereiten. Das zeitliche Element ist rechtzeitig einzuplanen.
Dr. iur Antje Luke, Vincent Capelle
1 https://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=2124
2 How can Europe reset the investment agenda now to rebuild its future? Ernst & Young 2019, p. 4 https://www.ey.com/en_gl/attractiveness/20/how-can-europe-reset-the-investment-agenda-now-to-rebuild-its-future
3 Audition de B. Lemaire par la commission des affaires économique de l’AN, 29 avril 2020 ; https://www.tresor.economie.gouv.fr/Articles/2020/04/30/covid-19-adaptation-du-controle-des-investissements-etrangers-en-france-ief-pendant-la-crise-sanitaire
5 Verordnung vom 25. Mai 2020
6 Verordnung Nr. 2018-1057 vom 29. November 2018 über genehmigugspflichtige ausländische Investitionen
7 Verordnung Nr. 2019-1590 und Ministerbeschluss vom 31. Dezember 2019 über ausländische Direktinvestitionen in Frankreich
8 Article L 151-1 CMF
9 Article L 151-2 CMF
10 Art. R 151-3 Abs. I. CMF
11 Ministerialverordnung vom 27. April 2020
12 Art. R. 151-4 CMF
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