Die in der Zeitung „Les Echos“ am 16. September 2020 veröffentlichte Information, das Wirtschafts- und Finanzministerium habe aus Haushaltsgründen vor, die von den Stromerzeugern und EDF Obligation d’Achat (oder anderen Pflichtabnehmern) vor 2011 abgeschlossenen Solarstromeinspeisungsverträge „neu zu verhandeln“, schlug in der französischen Sonnenenergiebranche wie eine „Bombe” ein.
Seit dieser Ankündigung scheint festzustehen, dass nur die „großen Sonnenkraftwerke“, deren Umfang allerdings noch definiert werden müsste, davon betroffen wären, und die geplante Änderung darin bestehen würde, die Laufzeit der Verträge von 20 auf 13 oder 15 Jahre zu verkürzen, anstatt die Höhe der Einspeisevergütung abzuändern.
In diesem Newsletter beleuchten wir eine der möglichen Rechtsgrundlagen dieses ministeriellen Vorhabens, nämlich das „Recht der Verwaltungsbehörden, verwaltungsrechtliche Verträge einseitig abzuändern.“
- Ist es grundsätzlich möglich, einen Solarstromeinspeisungsvertrag einseitig abzuändern?
Seit Verabschiedung des Gesetzes Nr. 2010-788 vom 12. Juli 2010 über das „nationale Umweltschutzengagement” (Gesetz „Grenelle 2”, Artikel 88 III 3, derzeit Artikel L. 314-7 des Energiegesetzbuchs) werden Verträge über die Verpflichtung zur Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen als „öffentlich-rechtliche Verträge“ qualifiziert.
Mit der oben aufgeführten Bestimmung des Grenelle-2-Gesetzes konnte der Gesetzgeber „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“, denn der dem öffentlich-rechtlichen Vertrag eigenen Grundsatz der „Veränderbarkeit“, wonach eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bei ihrem Vertragspartner einseitig jederzeit eine Änderung, ja sogar eine Kündigung des öffentlich-rechtlichen Vertrags durchsetzen kann, ist hierdurch auf Solarstromeinspeisungsverträge anwendbar.
- Ist das Wirtschafts- und Finanzministerium berechtigt, einen Einspeisungsvertrag abzuändern, den es nicht abgeschlossen hat?
Die Mehrheit der Einspeisungsverträge wurde zwischen einem Stromerzeuger und der privatrechtlichen Gesellschaft EDF Obligation d’Achat, an der der französische Staat eine Mehrheitsbeteiligung hält, abgeschlossen. An den Verträgen ist also keine öffentlich-rechtliche Körperschaft beteiligt.
Der „Staatsrat“ („Conseil d’Etat“, höchste Verwaltungsgerichtsbarkeit) gelangte jedoch in seinem Urteil vom 22. Januar 2020 zur Ansicht, dass es sich bei den meisten Klauseln der Solarstromeinspeisungsverträge um verordnungsrechtliche Bestimmungen handelt, so dass keine Vertragsfreiheit gegeben ist (CE, 22. Januar 2020, Nr. 418737, „Electricité de France (EDF) ./. Corsica Sole“).
Auf Basis dieser Rechtsprechung könnte man behaupten, dass der Einspeisungsvertrag „quasi-verordnungsrechtlicher Natur” ist und aus diesem Grund die Verwaltungsbehörden die Möglichkeit haben, die Bedingungen abzuändern.
- Sind die Bedingungen für eine einseitige Änderung rechtlich geregelt?
Die öffentlich-rechtliche Körperschaft muss hierfür mehrere Bedingungen erfüllen.
Zum einen muss die Änderung durch einen „Grund des Allgemeininteresses“ gerechtfertigt sein (Staatsrat (CE), 2. Mai 1958, Nr. 32401, „Distillerie de Magnac-Laval“).
Seit einigen Jahren ist in der Rechtsprechung bei Änderungen öffentlich-rechtlicher Verträge, die mit der Notwendigkeit, die öffentlichen Ausgaben einzudämmen, begründet werden, eine gewisse Toleranz zu erkennen (z.B. CE, 23. Mai 2011, Nr. 328525, „Etablissement public pour l’Aménagement de la région de La Défense“).
Es ist jedoch fraglich, ob das Ziel einer Verringerung der öffentlichen Ausgaben mit allen Verträgen und europarechtlichen und/oder innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die die Energiewende fördern, kompatibel ist.
Zum anderen ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass eine einseitige Änderung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht dazu führen darf, die finanziellen Bedingungen dieses Vertrags infrage zu stellen (CE, 16. Mai 1941, „Gemeinde Vizille“, Rec. CE 1941, S. 93: CE, 16. Januar 1946, „Stadt Limoges”, Rec. CE 1946, S. 15).
Schließlich muss im Falle einer einseitigen Änderung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags durch die öffentlich-rechtliche Körperschaft der Vertragspartner entschädigt
werden, um das globale finanzielle Gleichgewicht des Vertrags zu wahren (CE, 21. März 2010, „Cie générale française des tramways“, Rec. CE 1910, S. 216).
Diese Entschädigung muss sowohl den erlittenen Schaden, als auch den entgangenen Gewinn decken (CE, 5. Juni 1953, „Departement Isère“, Rec. CE 1953, S. 270).
Diese letzte Bedingung scheint ein ernsthaftes Hindernis für die „einseitige Änderung“ von Solarstromeinspeisungsverträgen darzustellen: Das Wirtschafts- und Finanzministerium müsste nämlich den Stromerzeugern den Schaden ersetzen, der ihnen durch die Herabsetzung des Tarifs entstehen würde, was der Zielsetzung der Haushaltseinsparungen widersprechen würde.
Die Verkürzung der Laufzeit der betroffenen Verträge anstatt der Herabsetzung des vereinbarten Tarifs scheint uns keine Lösung für die oben dargestellte Problematik zu sein.
- Kann eine einseitige Änderung des Einspeisungsvertrags auf vor 2011 unterzeichnete Verträge zur Anwendung gebracht werden?
Diesbezüglich ist der „Kompetenzkonfliktgerichtshof“ („Tribunal des Conflits“) in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 2010 zur Ansicht gelangt, dass „sich durch die mit dem zweiten Text bewirkte Änderung des ersten Textes (…) die Natur der gegenständlichen Verträge (…) rückwirkend ändert”.
Wenn die Qualifizierung des Einspeisungsvertrags rückwirkend geändert werden könnte, so könnten die Verwaltungsbehörden Solarstromeinspeisungsverträge auch rückwirkend abändern.
Dieser Schlussfolgerung steht jedoch dem fundamentalen Grundsatz des französischen Verwaltungsrechts entgegen (CE, 25. Juni 1948, „Société du Journal l’Aurore“: Rec. CE 1948).
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist allerdings der Ansicht, dass dieses Grundprinzip die Behörden nicht unbedingt daran hindert, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abzuändern.
In einer am 24. März 2006 ergangenen Entscheidung (Nr. 288460, „KPMG”) führte der Staatsrat im Übrigen aus, dass, zum einen und „vorbehaltlich der für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden allgemeinen Vorschriften“, eine neue Rechtsnorm nur aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift und aus Gründen der öffentlichen Ordnung auf laufende Verträge anwendbar sein kann und, zum zweiten, dass es der Regierung obliegt,
Übergangsbestimmungen festzulegen, wenn die neue Regelung laufende, rechtmäßig eingegangene Vertragsverhältnisse übermäßig beeinträchtigen kann.
* * * * *
Nach dieser ersten Analyse sind wir abschließend der Ansicht, dass eine „einseitige Abänderung“ von vor 2011 abgeschlossenen Solarstromeinspeisungsverträgen in rechtlicher Hinsicht erhebliche Fragen aufwirft.
Alternativ könnte die Regierung erwägen, diese rückwirkende Abänderung in einem Gesetz vorzusehen, wobei sie dies durch Gründe der öffentlichen Ordnung rechtfertigen müsste.
In dieser Hypothese sollten Übergangsbestimmungen verabschiedet werden, um keine „übermäßige Beeinträchtigung“ der laufenden Solarstromeinspeisungsverträge herbeizuführen. Dieses Kriterium wird sicherlich zwischen dem Ministerium und den Stromerzeugern heiß diskutiert.
Sollten sich die laufenden Verhandlungen als erfolglos erweisen, sollten die Stromerzeuger bereits die Möglichkeiten eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung in Betracht ziehen, die das wirtschaftliche Gleichgewicht ihrer Tätigkeit stören könnte.
Sébastien Canton, Laurence Duriez
M