Die französische Regierung hat die Überlegungen der IAO (internationale Arbeitsorganisation), wonach ein „erfolgreicher Sozialdialog“ geeignet ist, „sozialen Frieden und soziale Beständigkeit zu fördern, sowie die Wirtschaft anzukurbeln“, verinnerlicht.
In einer umfangreichen Regierungsstudie wird die Schwäche des Sozialdialoges in Frankreich offengelegt:
– Dieser fehle in Unternehmen mit weniger als 11 Beschäftigten, für die gesetzlich keine betriebsverfassungsrechtlichen Organe vorgesehen sind, gänzlich.
– Seine Funktionsweise folge starren und komplexen Regelungen.
– Er sei von einer „Kultur des Misstrauens“ geprägt.
Aufgrund dieser Feststellungen hat der französische Arbeitsminister Rebsamen dem Parlament einen tiefgreifenden Reformentwurf zur Verbesserung des Sozialdialogs und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit französischer Unternehmen vorgelegt.
Das sog. Gesetz „Rebsamen“ zum sozialen Dialog und zur Beschäftigung wurde von der Nationalversammlung am 23. Juli 2015 verabschiedet und soll in Kürze in Kraft treten.
Es ist unmöglich, den Gesetzesinhalt zu gewählten Personalvertretern, Organen der Belegschaftsvertretung und Gewerkschaften in wenigen Zeilen zusammenzufassen.
Daher soll an dieser Stelle lediglich auf die Reform zu den Organen der Belegschaftsvertretung eingegangen werden.
1. Zugang zu einer Interessenvertretung für alle Arbeitnehmer: Die Einführung der sogenannten CRPI
Die bisherige Lage
In Frankreich sind Unternehmen mit weniger als 11 Mitarbeitern nicht dazu verpflichtet, eine Belegschaftsvertretung für ihre Beschäftigten aufzustellen.
Die Änderungen im Rahmen der Reform
Ab dem 1. Juli 2017 sollen paritätische branchenübergreifende Regionalgremien (Commissions Régionales Paritaires Interprofessionnelles (CRPI)) bestehend aus gewählten Mitgliedern der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände als Interessenvertreter für die in Unternehmen mit weniger als 11 Mitarbeitern beschäftigten Arbeitnehmer eingeführt werden.
2. Die Fusionierung der Organe der Belegschaftsvertretung
Die bisherige Lage
Die Belegschaftsvertretung ist in verschiedene Organe aufgegliedert.
In Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten besteht sie aus:
– den Personalvertretern (sog. Délégué du Personnel (DP)),
– dem Betriebsrat,
– dem Ausschuss für Hygiene, Sicherheit und Arbeitsbedingungen (sog. Comité d’Hygiène, de Sécurité et des Conditions de Travail (CHSCT)).
Allerdings können Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten auf eigene Initiative entscheiden, die Personalvertreter und den Betriebsrat zu einem Personalvertretungsorgan zusammenzulegen (sog. Délégation Unique du Personnel (DUP)).
Eine Stückelung der Belegschaftsvertretung verursacht hohe Kosten und beeinträchtigt deren Effizienz.
Die Änderungen im Rahmen der Reform
In Zukunft soll die Einführung einer sog. DUP in Unternehmen mit bis zu 300 Beschäftigten ermöglicht werden.
Mit dieser Erweiterung wird sie künftig wohl auch die Aufgaben des CHSCT wahrnehmen. In Unternehmen mit mehr als 300 Beschäftigten können die Organe der Belegschaftsvertretung im Einvernehmen mit den Gewerkschaften ebenfalls zu einer gemeinsamen Institution zusammengefasst werden.
Diese ist dann für alle Bereiche der zusammengefassten Organe zuständig. Hinsichtlich sämtlicher in den Zuständigkeitsbereich der verschiedenen Organe fallender Vorhaben würde lediglich eine Information beziehungsweise Anhörung der gemeinsamen Institution erfolgen. Die Zusammenlegung verspricht, die Anzahl der Versammlungen und Begutachtungen zu reduzieren, wodurch ein Gewinn an Effizienz, Zeit und Geld angestrebt wird.
3. Die Vereinfachung der Anhörungs- und Informationspflichten
Die bisherige Lage
Es gibt 17 sich jährlich wiederholende Pflichtanhörungen des Betriebsrates. Die Informationspflichten (ohne Einholung einer Stellungnahme des Betriebsrats) finden sich in über fünfzig gesetzlichen Regelungen wieder. Diese zahlreichen und verstreuten Pflichten sind das Ergebnis vieler Gesetzesänderungen über mehrere Jahre. Sie geben den Akteuren des sozialen Dialogs keinen zusammenfassenden Überblick und verhindern eine strategische Ausrichtung der Wirtschafts- und Sozialpolitik in den Unternehmen.
Die Änderungen im Rahmen der Reform
Die jährlichen 17 Pflichtanhörungen werden durch die folgenden 3 ersetzt:
– Die Anhörung zur strategische Ausrichtung
– Die Anhörung zur wirtschaftlichen und finanziellen Lage
– Die Anhörung zur Sozialpolitik, Arbeitsbedingungen und Beschäftigung
Einige besondere vorhabenbezogene Anhörungspflichten werden gänzlich gestrichen. So muss der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht länger zu geplanten Kollektivvereinbarungen oder zur Erneuerung der Mitarbeitererfolgsbeteiligung (sog. Interessement oder Participation) beziehungsweise vermögensbildenden Maßnahmen für die Belegschaft anhören.
Diese besonderen Pflichten sind künftig nicht mehr verstreut im frz. Arbeitsgesetzbuch (Code du Travail) aufgeführt, sondern in einem Kapitel („consultations et informations ponctuelles du Comité d’Entreprise“) zusammengefasst.
4. Die Vereinfachung der Funktionsweise des Betriebsrates
Die bisherige Lage
Die Funktionsweise und die Bedingungen der Anhörung des Betriebsrates folgen sehr starr festgelegten Regeln, wodurch es oft zu einer rein formellen Anhörung kommt. Der Betriebsrat muss sich jeden Monat oder alle zwei Monate, je nach Belegschaftsgröße (mindestens 150 Mitarbeiter), versammeln.
Die Änderungen im Rahmen der Reform
Die Schwelle vom monatlichen zum zweimonatigen Rhythmus für Betriebsratsversammlungen wird von 150 auf 300 Beschäftigte angehoben. Weiter kann der Rhythmus per mehrheitlicher, mit den Gewerkschaften abgeschlossener Betriebsvereinbarung angepasst werden, was jedoch nicht zu weniger als 6 jährlichen Sitzungen führen kann.
Zudem kann der Arbeitgeber Betriebsratssitzungen per Videokonferenz durchführen und die Sitzungen mitschneiden.
Dies sind im Groben einige Maßnahmen zur Verbesserung des sozialen Dialogs. Ob sieallerdings tatsächlich dazu beitragen werden, die Leistungsfähigkeit französischer Unternehmen zu verbessern, wird sich künftig zeigen. Auf jeden Fall wird die Struktur der Belegschaftsvertretung in Frankreich grundlegend geändert.
Isabelle Le Coq, Constance Koch