„Formfehler dürfen nicht schwerer wiegen als materiellrechtliche Fehler“ – dieses wurde von der Regierung Macron als einer der Grundgedanken der Arbeitsrechtsreform präsentiert.
Danach sollte ein Arbeitgeber nicht mehr einzig deswegen „bestraft“ werden, weil er im Rahmen eines Kündigungsverfahrens eine komplexe und zwingende Formvorschrift nicht befolgt hatte, obgleich die Kündigung ansonsten materiell gerechtfertigt war.
Von dieser Überzeugungsgrundlage ausgehend, hat die französische Regierung mit dem Erlass Nr. 2017-1387 vom 22. September 2017 sowie der dazugehörigen Ausführungsverordnung Nr. 2017-1702 vom 15. Dezember 2017 die entsprechenden Bestimmungen zur Begründung der Kündigung geändert.
Die neuen Bestimmungen sind am 18. Dezember 2017 in Kraft getreten.
Eine kurze Wiederholung der bis vor kurzem geltenden Regelungen(1.) erscheint zum besseren Verständnis der Reform(2.) sinnvoll.
1. Die vor der Reform gültigen Regelungen zur Kündigungsbegründung:
Dem Artikel L.1232-6 des frz. Arbeitsgesetzes entsprechend, hat ein Kündigungsschreiben die der Kündigung zugrunde liegenden Gründe zu enthalten.
Diese Bestimmung war im Rahmen der von Arbeitnehmerseite gegen die Kündigung geführten Verfahren vor den Arbeitsgerichten von tragender Bedeutung.
Aus Richtersicht und für die Entscheidung waren ausschließlich die im Kündigungsschreiben angeführten Gründe ausschlaggebend, insofern als diese „die Grenzen des Verfahrens absteckten“.
Nach ständiger Rechtsprechung wurde eine unzureichende Begründung des Kündigungsschreibens nicht als formaler Fehler geahndet, sondern führte dazu, dass die Kündigung als unbegründet („ohne wirklichen und ernsten Kündigungsgrund“– „sans cause réelle et sérieuse“) eingestuft wurde.
Es war ferner dem Arbeitgeber verwehrt, zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen des Gerichtsverfahrens eine andere Haltung einzunehmen, Präzisierungen oder zusätzliche Kündigungsgründe nachzuschieben, um so die Begründetheit der Kündigung zu untermauern.
Diese Rechtsprechung zwang die Unternehmen dazu, bei der Verfassung von Kündigungsschreiben sehr genau zu sein.
In diesem Zusammenhang gilt es, darauf aufmerksam zu machen, dass die Rechtsfolge einer vor dem 22. September 2017 ausgesprochenen unbegründeten Kündigung (also ohne „wirklichen und ernsten Kündigungsgrund“) einen Schadensersatzanspruch nach sich zog, der sich in seiner Höhe nach der in Artikel L.1235-3 des frz. Arbeitsgesetzes dargelegten Tabelle richtet. Die Höhe des Schadensersatzes beläuft sich, je nach Betriebsgröße und Betriebszugehörigkeitsdauer des Arbeitnehmers, auf 0.5 bis 20 Monatsgehältern.
2. Die seit dem 18. Dezember 2017 geltenden Bestimmungen zur Kündigungsbegründung
Um zu vermeiden, dass eine ungenaue Formulierung des Kündigungsschreibens zwangsläufig zur Unbegründetheit der Kündigung führt, ist es dem Arbeitgeber nun erlaubt, nachträglich entweder auf Verlangen des Arbeitnehmers oder aus eigener Initiative, Präzisierungen der Kündigungsgründe vorzunehmen.
Die Präzisierung der Kündigungsgründe ist strengen formalen Vorschriften unterworfen:
Entsprechend der Ausführungsverordnung Nr. 2017-1702, die seit dem 18. Dezember 2017 in Kraft ist, muss der zusätzliche Informationen begehrende Arbeitnehmer dieses dem Arbeitgeber gegenüber innerhalb einer fünfzehntägigen Frist, schriftlich, per Einschreiben mit Rückschein, anzeigen. Diese Frist beginnt mit Ausspruch der Kündigung.
Das Unternehmen muss dann, sofern es dieses wünscht, die Kündigungsgründe innerhalb einer fünfzehntägigen Frist, entweder per Einschreiben mit Rückschein oder durch ein persönlich überreichtes Schreiben, das gegenquittiert wird, präzisieren.
Sollte der Arbeitgeber wünschen, aus freien Stücken etwaige Kündigungsgründe zu präzisieren, so hat er dieses unter Einhaltung selbiger Formvorschriften innerhalb einer fünfzehntägigen Frist zu tun. Fristbeginn ist auch hier der Ausspruch der Kündigung.
Sollte der Arbeitnehmer keine zusätzliche Begründung der Kündigung verlangen, führt nunmehr der alleinige Umstand einer unzureichenden Begründung der Kündigung nicht mehr zwangsläufig zu einer unbegründeten Kündigung.
Die unzureichende Begründung ist nun ein Formmangel, der einen Schadensersatzanspruch in Höhe eines Bruttomonatsgehalts begründet. Die Folgen der Reform in diesem Punkt sollten jedoch nicht überbewertet werden.
Der Arbeitgeber ist weiterhin gut beraten, die Kündigungsschreiben sorgfältig zu verfassen.
Zwei Gründe lassen diesen vorsichtigen Schluss zu:
Erstens: die nachträgliche Absicherung eines Kündigungsschreibens ist lediglich darauf begrenzt, Präzisierungen der Gründe vorzunehmen, jedoch nicht darauf, zusätzliche Gründe hinzuzufügen, so wie dieses noch der Entwurf des Erlasses vorgesehen hatte.
Mit anderen Worten: der Arbeitgeber kann auch weiterhin keine anderen Gründe als die bereits im Kündigungsschreiben genannten „nachschieben“.
Zweitens: sollte, im Falle einer späteren Präzisierung der Kündigungsgründe auf Wunsch des Arbeitnehmers, der Arbeitsrichter die Kündigungsgründe immer noch als ungenau erachten, so wird er dem Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch wegen Kündigung ohne wirklichen und schwerwiegenden Grund zuerkennen.
Isabelle Le Coq, Andrea Linne, Noémi Schwab