Die französischen Regeln zur Angabe von Preisermäßigungen wurden seit Inkrafttreten der europäischen Richtlinie vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken1 und infolge deren Auslegungen durch den Gerichtshof der Europäischen Union vielfach geändert2. Die bis dato letzte Änderung erfolgte durch eine Verordnung (arrêté) vom 11. März 20153, welche am 25. März 2015 in Kraft getreten ist („Preisangabeverordnung“).
Gemäß dieser neuenPreisangabeverordnung müssen Handelsbetriebe und Verkaufsstellen im Fall von Preisermäßigungen darauf achten, dass die Preisschilder (Schild, Aufkleber oder Etikette) nebst der Preisermäßigung ebenfalls den durch den Anbieter bestimmten. Referenzpreis, auf welchen sich die Preisreduzierung bezieht, vermerken4.
Die Angabe des ermäßigten Preises ist jedoch gemäß dieser neuen Preisangabeverordnung nicht zwingend, sobald der Preisnachlass zum Referenzpreis durch einen einheitlichen pauschalen prozentualen Rabatt (z.B. 30%) für eine klar bestimmbare Ware oder Dienstleistung angeben wird5.
Die Preisangabeverordnung, welche die Verordnung vom 31. Dezember 2008 aufhebt, wurde infolge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union, welches die Konformität der belgischen Regeln über die Angaben von Preisermäßigungen betraf6, erlassen.
Wie auch das französische Gesetz, beinhaltete auch der belgische Gesetzestext Bestimmungen für die Ermittlung des Referenzpreises und legte fest, dass mit jeder Ankündigung einer Preisermäßigung der tiefste Preis, der während des vergangenen Monats angewandt wurde, auf dem Preisschild angegeben werden musste. Für den Gerichtshof der Europäischen Union widerspricht eine solche Regelung, die jede Ankündigung von Preisermäßigungen verbietet, sobald diese nicht bestimmten gesetzlich festgelegten Kriterien entspricht, der Richtlinie vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken.
Angesichts dieses Urteils hat die Preisangabeverordnung unter anderem die bisherigen sehr strengen Bestimmungen bezüglich der Kriterien des Referenzpreises aufgehoben. Die französischen Bestimmungen, welche vorschrieben, dass der Referenzpreis nicht den tiefsten Preis, der während des vergangenen Monats angewandt wurde, oder nicht der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers oder Importeurs überschreiten soll, waren folglich richtlinienwidrig.
Trotzt dieser Änderungen bleibt die französische Preisangabeverordnung unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Beschluss vom 8. September 2015 erklärt, das nationale Vorschriften, die die Angabe eines Referenzpreises vorschreiben, der Richtlinie vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken widersprechen7. Es handelte sich allerdings um eine Feststellung im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens, bei dem die vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden konnte.
Der Gerichtshof weist daraufhin, dass diese Richtlinie die Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vollständig harmonisiert. Folglich dürfen Mitgliedstaaten keine strengeren als die in dieser Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen.
Interessant ist darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie in ihrem Anhang I eine erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken aufstellt, die „unter allen Umständen“ als unlauter anzusehen sind, d.h. solche Geschäftspraktiken, die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls als unlauter gelten.
Handlungen, mit denen Verbrauchern Preisermäßigungen angekündigt werden ohne Angabe eines Referenzpreises sind im Anhang I der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht aufgeführt, und können somit nicht unter allen Umständen untersagt werden.
Händler könnten folglich anhand dieser Rechtsprechung ihre Strafen aufgrund eines fehlenden Referenzpreises entsprechend anfechten.
Es ist einem Händler jedoch nicht verboten, aus kommerziellen Gründen weiterhin einen Referenzpreis anzugeben. Unabhängig davon, ob ein Referenzpreis angegeben ist oder nicht, die Mitteilung einer Preisermäßigung muss im Fall einer Kontrolle mit einem ursprünglichen Preis über eine angemessene Zeit begründet werden können. Ansonsten muss mit einer strafrechtlichen Strafe für irreführende Geschäftshandlung, die mit dem Gesetz n°2014-344 vom 17.März 2014 („Gesetz Hamon“) verschärft wurde, Artikel L.121-1 des französischen Code de la Consommation, gerechnet werden.
Catherine Nelken und Thibaut Houssel
1 Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005
2 Verordnung vom 31. Dezember 2008 zur Aufhebung der Verordnung n°105/P vom 2. September 1997
3 Verordnung vom 11. März 2015
4 Artikel 2 «lorsqu’une annonce de réduction de prix est faite dans un établissement commercial, l’étiquetage, le marquage ou l’affichage des prix (…) doivent préciser,outre le prix réduit annoncé, le prix de référence qui est déterminé par l’annonceur et à partir duquel la réduction de prix est annoncée».
5 Artikel 3 «lorsque l’annonce de réduction de prix est d’un taux uniforme et se rapporte à des produits ou services parfaitement identifiés».
6 EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014, C-421/12 7
7 EuGH, Beschluss vom 8. September 20015, C-13/15